Ganz großes Kino. Tabea Zimmermann ist die wohl renommierteste aktive Bratschistin im deutschsprachigen Raum (und wohl auch darüber hinaus), als Solistin und Mitglied des Arcanto-Quartetts.
Wie alles begann
Bereits mit drei Jahren begann Tabea Zimmermann mit dem Bratschenspiel, zwei Jahre später bekam sie zusätzlich Klavierunterricht. Ihre Eltern, sagte sie, seien in einer pietistisch-protestantischen Sekte gewesen. «Da herrschte ein hartes Regiment. Wir durften nicht tanzen gehen. Die Kleider der Oma hörten zwölf Zentimeter über dem Knöchel auf. Da ist es nicht weit bis zum orthodoxe Judenviertel Mea Shearim in Jerusalem. … Aber die Eltern haben Musik zugelassen … wenn, dann richtig.»
An Übung dürfte es der jungen Tabea Zimmermann auch nicht gefehlt haben. In einem Interview äußerte sie hierzu «Meine Eltern waren sehr sehr streng bei der Erziehung ihrer 6 Kinder! Und auch wenn ich dadurch eine Sonderstellung in meiner Altersklasse erreicht habe und bis heute viele Vorteile aus der frühkindlichen Musikerziehung ziehen kann, trauere ich einer Kindheit nach, die ich nicht haben durfte. Das wird wohl immer eine Frage der Perspektive bleiben.»
Talent, Ausbildung, Erfolge
Zimmermann gehört zu den begnadeten Menschen mit einem absoluten Gehör. «Es hilft mir ungemein in der Vorstellung: Wenn ich Noten lese, kann ich mir die Musik vorstellen, ohne dafür mein Instrument auspacken oder ans Klavier gehen zu müssen. Das ist eine sehr angenehme Erleichterung, besonders beim Erlernen von zeitgenössischen Partituren.»
Tabea Zimmermann absolvierte ihr Bratschenstudium an der Musikhochschule Freiburg, sowie am Mozarteum Salzburg, bei Sandor Végh.
Zu ihren Auszeichnungen zählen unter anderem serienmäßig erzielte erste Preise bei 'Jugend Musiziert', der erste Preis beim 'Councours de Genève', beim 'Maurice Vieux' in Paris und 1984 bei den 'Budapest Music Competitions'. Sie erhielt den Frankfurter Musikpreis, den Würth-Preis Jeusnesses Musicales Deutschland, den Hessichen Kulturpreis, den Paul Hindemith-Preis der Stadt Hanau, die Verdienstorden der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden Württemberg, sowie zwei Echos (2010 für ihre Solo-CD mit Werken von Reger und Bach, sowie 2014 als Instrumentalistin des Jahres für ihre CD mit Werken von Hindemith).
Professur
Bereits 1987 machte sich Tabea Zimmermann einen Namen als jüngste Musikprofessorin Deutschlands an der Musikhochschule Saarbrücken. Sie lehrte später auch an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main und seit 2002 hat sie eine Professur an der Hochschule für Musik 'Hanns Eisler' in Berlin inne. Die Arbeit mit Studenten ist für die Bratschistin ein wichtiger Aspekt ihres musikalischen Handelns: «Der ständige Dialog mit wachen und interessierten jungen Musikern schärft den eigenen Blick. Ich habe große Freude an der gemeinsamen Arbeit, in der musikalische Instinkte hinterfragt, und auf eine bewusste Ebene gebracht werden.»
Einer der bekanntesten Studenten Zimmermanns ist der vorab vorgestellteAntoine Tamestit. Gemeinsame Auftritte der beiden bezaubern noch immer ihr Publikum.
Die Zukunftsprognosen der nunmehr seit fast 20 Jahren tätigen Professorin sehen leider nicht so rosig aus: «Wenn ich aus der Perspektive der Hochschullehrerin schaue, macht mir der Nachwuchs schon sehr große Sorgen. Wir haben oft die Wahl zwischen instrumental hervorragend ausgebildeten jungen Asiaten und gerade mal Interesse bekundenden jungen Deutschen, die allerdings einige Jahre hinterher sind, weil ihnen 4-5 Jahre intensiven Instrumentalstudiums fehlen.»
Arbeit im Quartett
Tabea Zimmermann spielt im Arcanto (Streich-) Quartett, neben Jean-Guihen Queyras (Cello), Daniel Sepec und Antje Weithaas (Violine). In höchsten Tönen spricht sie von dem Quartett als «wunderschönsten Zeitvertreib» und in der Erwartung an weitere fruchtbare Zusammenarbeit, auf die wir uns alle freuen können. Sie liebe es auch im Quartett die Mittelstimme zu spielen.
Über die Vorzüge der Viola sagte sie dem 'Guardian' gegenüber, sie käme der menschlichen Stimme am nächsten, sei ein wundervoll vielseitiges Instrument, mit dem schönsten Farbspektrum. Sie könne damit die erste Stimme in Kammermusikstücken spielen, die mittlere im Streicherquartett, Solos bei Orchesterstücken oder sogar die Bassstimme in Debussys Trio für Flöte Viola und Harfe.
Besondere Werke
Als eines ihrer liebsten Bratschenstücke nennt Zimmermann Bartòks Viola Konzert, wegen seiner «wundervollen Farbe und Orna• mentation». Das Stück wurde für den schottischen Bratschisten William Primrose geschrieben und durch ihn 1949 uraufgeführt. Doch insbesondere ihre Hindemith Aufnahmen stechen ins Auge. So nahm sie auf drei CDs sämtliche Werke Hindemiths für die Viola auf, erschienen 2013/2014 bei myrios classics.
Die Kritiker
Ein paar Kritikerstimmen zur Künstlerin:
„Tabea Zimmermanns Spiel zeichnet sich durch eine unerhörte technische Perfektion aus, größte Klarheit der Artikulation und Intonationsreinheit sind selbstverständlich, alles wirkt hier genau zentriert und ausbalanciert.“
Fono Forum
„In Zimmermanns Spiel verlaufen die nötigen Nerven- und Blutbahnen, um das Aufwühlende und Verzweifelnde, das Emphatische und Eckige, das Liebreizende und Undomestizierbare aus dieser Musik sprechen zu lassen.“
Guido Fischer (Rondo Magazin) über ihre Aufnahmen Hindemith Vol. 2
„Ein Crescendo vermag Zimmermann wie in Zeitlupe über zwei, drei Duzend Takte zu spannen, einen Ton ganz langsam immer weiter hinauszuschieben aus dem Nichts, und sie hat, wenn man glaubt, die Grenze nach oben sei jetzt erreicht, meist noch erstaunliche Reserven. Wenn sie es nicht will, dann hört man keinen Bogenwechsel, einen halbherzig gegriffenen Ton ohnehin nicht. Was man immer hört, ist eine berauschende Intensität von großer Natürlichkeit“
Raoul Mörchen (Deutschlandfunk) über ihre letzte CD "Romance oubliée"
Und nicht zuletzt bezeichnete György Ligeti Tabea Zimmermann als die "schönste C-Saite der Welt".
Übrigens, am 8. Oktober feiert die dreifache Mutter ihren fünfzigsten Geburtstag. Das Geburtstagskonzert am 9. Oktober findet im Berliner Radialsystem statt: https://www.facebook.com/events