12 Fragen an Martin Stegner,
Bratschist verschiedenster Genres



Martin Stegners Wirkungskreis ist gross: Mitglied der Berliner Philharmoniker, Initiant und Arrangeur verschiedener Ensembles, etwa des groovigen Ensembles Bolero Berlin, des Wu Wei Trios (Sheng, Viola, Kontrabass) oder des Bratschenquartetts der Berliner Philharmoniker "Violentango".

Für den Partitura Verlag hat er mehrere Werke bearbeitet: Liedbearbeitungen von Schumann, argentinische und finnische Tangos und die Preludes von Gershwin. Stephanie Gurtner (Gründerin und Leiterin des Verlags) führte mit ihm ein Gespräch über Bearbeitungen für Bratsche und über Bratsche als Jazz-Instrument, Bratsche als Singstimme oder Bratsche im Tango-Himmel.

 

Martin Stegner

Sind Bearbeitungen für Bratsche berechtigt? Braucht es sie überhaupt? Was würdest du jemandem antworten, der sagt: "erst mal alles spielen was Original vorhanden ist"?
Ich meine, man sollte nicht an den Werken für das eigene Instrument kleben, sondern spielen, was einem gefällt. Was nicht passt, muss dann eben passend gemacht, lies bearbeitet werden. Das Wichtigste ist, dass es einem selbst Freude bereitet, man muss das nicht immer unbedingt öffentlich spielen. Das Bratsche-Repertoire ist vergleichsweise klein. Früher war es ganz allgemein selbstverständlich, Stücke zu bearbeiten: im Barock sowieso, aber auch in der Klassik. Wie viele Harmoniemusiken gab es von Opern! Man war schlicht auf Bearbeitungen angewiesen, weil es noch keine Aufnahmen gab. Heute ist diese Selbstverständlichkeit mit den überall verfügbaren Aufnahmen verloren gegangen – leider. Wie sehr wünschte ich mir jene Zeit zurück!

Bearbeitungen gibt es für alle Instrumente, jedoch für Viola scheint es besonders viele Transkriptionen und Bearbeitungen zu geben. Was denkst du: Liegt es am Mangel von Originalliteratur? Oder an der grösseren Experimentierfreudigkeit der Violaspieler:innen?
Ganz klar: am Mangel an Originalliteratur. Aber es ist irgendwie verständlich, weil die Bratsche immer irgendwelche Kompromisse eingehen musste. Sie ist wunderschön, aber ist technisch aufgrund von Streckung der Finger und Breite des Instruments weniger virtuos bespielbar und kann sich durch ihre Mittellage akustisch weniger gut durchsetzen.

Welches waren deine frühesten Erfahrungen mit Bearbeitungen? Gab es Schlüsselwerke?
Als ich von Violine auf Viola gewechselt habe, studierte ich gerade Bachs Ciaccona und stellte fest: OK, ist schwerer auf der Bratsche, aber klingt für mich so wirklich besser!

 

WuWei Trio

Welche Werke sind aus deiner Sicht gut geeignet, um sie auf die Bratsche zu übertragen? Welche würdest du nicht übertragen?
Das kommt vor allem auf die Tonlage an. Literatur für Klarinette eignet sich zum Beispiel besser als jene für Posaune. Ein wenig problematisch sind auch virtuose Stücke, weil es dann oft nicht mehr so richtig nach Bratsche klingt.

Du bist auch Jazzbratscher. Wie bist du dazu gekommen?
Weil ich mal Jazzgeiger war.

Was macht es für einen „Klassiker“ – neben dem Improvisieren – herausfordernd, Jazz zu spielen? Oder umgekehrt, wenn du mehrere Tage Jazz gespielt hast: Ist es dann schwierig, wieder in den Klassik-Modus zurückzukehren?
Solche Vorurteile sind meiner Meinung nach Quatsch. Mein Lehrer meinte einmal, ich würde meine Technik kaputt machen. Das Gegenteil war der Fall: Ich lernte mit Jazz mein Instrument erst so richtig kennen! Meine Erfahrung ist klar: Jazz zu spielen ist eine musikalische Bereicherung!

Und jetzt zum Wu Wei Trio, da spielt ihr Musik aus verschiedensten Epochen. Was ist das Besondere am Musizieren in diesem Trio? Wie geht ihr vor, wenn ihr Werke auswählt?
Das ist nicht ganz einfach, weil man auf der Sheng nicht alles spielen kann, gewisse Griffkombinationen - also Tonfolgen - sind extrem mühsam und dementsprechend nur schwer im Presto zu meistern. Zudem müssen wir ausprobieren, wie es mit den Lagen der Instrumente funktioniert. Es gibt viele Herausforderungen.

Mit dem Bratschenquartett Violentango spielt ihr finnische Tangos. Findet ihr das vor allem lustig? Oder versinkt ihr in glückliche Melancholie?
In erster Linie haben wir einfach Spaß, als Quartett zu spielen. Aber du hast mit deiner ironischen Anspielung schon recht: Ein bisschen Melancholie stellt sich dann schon immer ein.

Für eine konventionellere Besetzung, nämlich Streichtrio, hast du für unseren Verlag auch finnische Tangos arrangiert, ebenso die vier Preludes von George Gershwin. Was würdest du sagen: Ist es schwieriger, ein Klavierstück auf drei Instrumente zu erweitern oder aber eine Tango-Band-Besetzung auf drei zu reduzieren?
Das kommt auf die Stücke an. In beide Richtungen gibt es Stücke, die einen für eine Bearbeitung förmlich anspringen! Beim Trio hat man einfach das Problem, dass eigentlich immer eine Stimme fehlt, auch bei Beethoven darf dann oft die Bratsche 2 Stimmen gleichzeitig übernehmen…

 

Berliner Philharmoniker

Du hast für den Partitura Verlag auch Schumanns Liedzyklus "Dichterliebe" in der Bearbeitung für Viola und Klavier herausgegeben. War das ein Herzensprojekt von dir?
Absolut! Zu Hause liegt noch ein ganzer Stapel von Liedbearbeitungen. Lieder sind einfach perfekt für die Bratsche, denn unser Timbre ist der Stimme so nah.
 
Sind Liedbearbeitungen also generell gut geeignet für die Bratsche?
Im Prinzip ja. Doch mit Strophenliedern muss man es ausprobieren, denn diese drohen dann bald einmal langweilig zu werden. Dazu kommt: Spielt man Lieder in Originaltonhöhe, dann klingt die Bratsche wie eine nicht so ganz gute Geige. Oktaviert man, dann verstehen die Hörer:innen nichts. Also muss man transponieren. Das größte Problem ist dann eigentlich das Klavier: Es sollte durch die Transposition nicht grotesk tief klingen.

Sowohl Amateure als auch Profis spielen deine Bearbeitungen. Welche Tipps würdest du einerseits Amateuren und andererseits Profis geben?
Beiden den gleichen Tipp: Fühlt euch frei! Ich sehe meine Bearbeitungen nur als Grundgerüst für die Kreativität der Interpreten: Macht daraus, was für euch stimmig ist!

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Freude beim Bearbeiten, Konzertieren und Jazzen!

Nützliche Links zu Martin Stegner:

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