Auch als Cellist ist mir das Konzert in c-Moll von Johann Christian Bach bestens bekannt, denn nach Angabe des Herausgebers (Edition Salabert) handelt es sich um ein Konzert für Viola oder Violoncello oder Violine. Während meines Cello-Studiums in West-Berlin war in den 1950er Jahren die Anzahl der verfügbaren Langspielplatten noch sehr gering. Im Jahr 1958 kaufte ich mir die LP P-8232 der US-Firma Capitol, die außer dem Bruch’schen KolNidrei noch zwei weitere Stücke enthielt: das Cellokonzert von Schumann und das mir bis dahin unbekannte Cellokonzert in c-Moll von Johann Christian Bach. Die Interpreten dieser LP waren Joseph Schuster, Cello und „The Los Angeles Orchestral Society“ unter der Leitung von Franz Waxman. Joseph Schuster (1903-1969), war von 1929 bis 1934 1.Solocellist der Berliner Philharmoniker, musste aber 1934 Deutschland leider verlassen und setzte seine Karriere in den USA fort. Bei einem Konzert mit Klavierbegleitung im Berliner Ernst-Reuter-Saal im September 1959 spielte Joseph Schuster auch dieses „J.Chr.Bach-Konzert“. Alle Berliner Philharmoniker, die ihn noch kannten waren anwesend und freuten sich über das Wiedersehen und Wiederhören mit dem ehemaligen Kollegen. Irgendwelche Zweifel an der Echtheit des „J.Chr.Bach-Konzerts“ gab es nicht. Diese Dinge waren damals unwichtig, und man nahm auch keinen Anstoß daran, dass der große Geiger Fritz Kreisler das oft von ihm gespielte „Vivaldi-Konzert“ selbst komponiert hatte. Die Aufnahme des J.Chr.Bach-Konzerts aus den 1950er Jahren - auf dieser Capitol-LP mit großer Orchesterbesetzung - begeisterte mich so sehr, dass ich mir sofort 1958 die Cello-Version der Noten kaufte, um es zu studieren. In den Jahren 1959 bis 1973 habe ich es dann oft gespielt, mit Klavierbegleitung in Berlin, Basel und Zürich und mit Kammerorchesterbegleitung in Mannheim, hier in einer eigenen Instrumentierung mit Streichern, 1 Flöte, 1 Oboe. Während des Studiums und meiner ersten Aufführungen dieses c-Moll-Konzertes kamen damals von keiner Seite irgendwelche Zweifel an der „Echtheit“ des Werkes. Erstmals 1960 in Basel stellte ein Kritiker mit „… ist es wirklich von ihm?“ die Herkunft des Werks in Frage. Inzwischen wissen wir alle, dass Henri Casadesus dieses Konzert nicht „rekonstruiert“ sondern selbst komponiert hat und sein Bruder Francis die Orchestrierung vornahm. Die Version für Viola und Kammerorchester (nur Streicher) habe ich im Laufe der letzten 50 Jahre mehrmals gehört und auch begleitet, wobei aber die große Orchesterbesetzung – besonders im zweiten Satz – vorzuziehen ist, weil sie sehr viel farbiger klingt. Von dem berühmten russischen Cellist Daniil Shafran (1923-1997) gibt es eine Aufnahme aus dem Jahr 1961 mit großem Streichorchester. Sein Vibrato im zweiten Satz ist leider sehr zittrig, und der dritte Satz klingt völlig verhetzt. Daher bevorzuge ich die ältere Aufnahme mit Joseph Schuster.